Ökonomisches Grundprinzip im Sport: Grenzerträge im Training!

Ein Hauptgrund, weshalb Menschen nur wenig oder teils gar nichts in ihre Gesundheit investieren, ist der Mangel an Zeit. Andere wiederum schaufeln in ihrer Agenda mehrere Stunden pro Woche frei, um ihr sportliches Hobby oder ihre sportlichen Ziele zu erreichen. Dass ein «zu wenig» an Gesundheitsinvestment langfristig keine positiven Effekte bringt, das ist bekannt. Dass ein «zu viel des Guten» allerdings auch negative Effekte haben kann, braucht Aufklärungsarbeit. Der aus der Wirtschaft stammende Ansatz der Grenzerträge kann eine mögliche Herangehensweise sein.


Sportliches Training und Ökonomie

Es lohnt sich einen ökonomischen Blick auf das Thema Gesundheitsförderung und Leistungssteigerung zu werfen. Von was genau es wie viel braucht, um positive Effekte zu erzielen und wann es denn zu viel des Guten oder zu viel des Falschen ist, sind Fragen, die sich nicht nur im Sport stellen. Weder «ein zu viel» noch «ein zu wenig» bringen uns gewünschte und sinnvolle Ergebnisse bei allen Zielen im Leben. In der Wirtschaftswissenschaft wird in diesem Zusammenhang über Mittel, Ressourcen und Potentiale gesprochen. Diese müssen sinnvoll und richtig gewählt und eingesetzt werden. Ein interessanter Artikel von Michael Fröhlich, Eike Emrich, und Martin-Peter Büch (Universität des Saarlandes, Sportwissenschaftliches Institut) beschäftigt sich genau mit diesem Thema, aber aus trainingswissenschaftlicher Perspektive. Sie stellen die Frage, wie sport- und trainingswissenschaftliche Probleme von einer ökonomischen Perspektive betrachtet und analysiert werden können. Dabei rücken sie die Grenzerträge in den Fokus.


Definition Grenzertrag

Der Grenzertrag generiert in der Wirtschaft den Zuwachs des Ertrages, der durch den Einsatz eines Produktionsfaktors erzielt wird. Sportlich gesprochen bestimmt der Grenzertrag die Leistungssteigerung, die durch den Einsatz einer bestimmten Ressource (Trainingszeit, Trainingsmittel, Trainingsart o.a.) erreicht werden kann.

Wird die Grenzertragsüberlegung der Ökonomie auf die Trainingswissenschaft übertragen, dann sind schnell Parallelen ersichtlich. Es geht darum, mit einem bestimmten Mitteleinsatz den besten Output zu generieren. Ausgangspunkt der Überlegungen ist in der Wirtschaft wie auch im Sport die Situation zum aktuellen Zeitpunkt: Das Potential (Gesundheitszustand, Leistungsfähigkeit) zum Zeitpunkt t. Unter Einfluss zusätzlicher Ressourcen (Beispiel: Trainingserweiterung) ist das Ziel über eine bestimmte Zeitdauer ein höheres Potential zum Zeitpunkt t2 zu erreichen.


Effektiv Trainieren

„Viel hilft viel“ ist weder bei der Ökonomie noch bei Sport und Bewegung der richtige Ansatz. Es geht nicht darum, möglichst viel zu arbeiten oder eben möglichst umfangreich zu trainieren. Die zentrale Frage ist vielmehr: Wie können Mittel, Ressourcen und Potentiale optimal eingesetzt werden, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Eine Kosten-Nutzen-Relation im Sport beschreibt das Verhältnis von aufgewendeter Zeit sowie körperlichem Verschleiss und leistungsmässigem Ertrag.

Effektiv trainieren bedeutet, dass unter dem Einsatz möglichst aller gegeben Mittel und Ressourcen ein bestimmtes Ziel erreicht wird. Effizient ist das Training dann, wenn es den Profi- und Gesundheitssportlern gelingt, die höchstmögliche Steigerung bei einem bestimmten Einsatz von Ressourcen zu generieren. Im Zentrum aller Überlegungen steht immer die Frage, welche Mittel und Ressourcen innerhalb der angewandten Zeit erzielen den grössten Ertrag.


Grenzen im Gesundheits- und Leistungssport

Im Gesundheitssport ist der Mitteleinsatz beschränkt. Der Sport steht nicht im Vordergrund. Die Arbeit, die Familie und die Freunde haben Vorrang. Es geht darum, dass die beschränkten Mittel (insbesondere die Zeit) sinnvoll eingesetzt werden, um den grösstmöglichen Effekt für die Gesundheit zu erzielen. Im Profisport der grösstmögliche Trainingseffekt ebenfalls das Ziel, jedoch ist der Mitteleinsatz weniger limitiert. Natürlich gibt es zeitliche und physische Limiten, allerdings sind sie deutlich weniger beschränkt als im Gesundheitssport. Geht es um maximale Leistung, dann bestimmt dieser Fokus den Mitteleinsatz. Im Gesundheitssport geht es darum, die Mittel so einzusetzen, dass im Rahmen der Möglichkeiten das beste Resultat ermöglicht wird. .

Die gute Nachricht für den Gesundheits- und Freizeitsport: Auf niedrigem Leistungsniveau bewirken bereits geringe Mitteleinsätze verhältnismässig hohe Leistungszuwächse. Dies zeigt die Darstellung der Dosis-Wirkungs-Kurve für Bewegungsaktivitäten bei Erwachsenen des Netzwerks für Gesundheit und Bewegung Schweiz.

Die schlechte Nachricht für ambitionierte Freizeitsportler und Profis: Bei höherem Leistungsniveau sind immer grössere Mitteleinsätze notwendig, um überhaupt noch kleine Verbesserungen zu erzielen. Langfristig nähert sich die Leistungsentwicklung einem Grenzwert.


Grenzerträge erkennen

Mit zunehmendem Ressourceneinsatz, z.B. einer bestimmten Trainingsvariante oder Trainingsvolumen, nimmt zunächst die sportliche Leistung über einen bestimmten Zeitraum zu. Wird die gleiche Trainingsvariante jedoch dauerhaft angewendet oder das Volumen konstant hochgehalten, nimmt die Leistungssteigerung auf Dauer ab. Es wird ein physiologisch bedingter Grenzertrag erreicht.

Wird der Grenzertrag überschritten, führt dies zu einem negativen Ergebnis und das Training ist kontraproduktiv. Die eingesetzte Ressource verbessert die Leistung nicht mehr im gewünschten Rahmen oder verschlechtert diese womöglich. Um dieser Gefahr vorzubeugen, lohnt es sich, die Trainingsprinzipien zu beachten und sich mit Trainingsmethoden auseinanderzusetzen.


Autor: Niklaus Jud

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