Propriozeption – unbewusst, aber alles andere als unbedeutend!

Unser Körper ist ein grosses Informationssystem. Je mehr wir dieses System brauchen, umso effizienter arbeitet es. Das heisst, die Reizaufnahme, die Reizverarbeitung und die entsprechende Antwort auf den Input wird immer schneller und präziser. Das gilt auch für alle Informationen, die durch unsere Muskeln und Gelenke gesammelt und gesendet werden.

Richtig! Muskeln und Gelenke können nicht nur Bewegung ermöglichen. Sie sammeln ununterbrochen Informationen über Bewegungen, Muskelspannungen, Dehnungszustände, Gelenksstellungen und einwirkende Kräfte. Dieser Informationsverarbeitung über das Geschehen im Körper verdanken wir zum Beispiel das Gleichgewicht, die Reaktionen bei Stolperschritten, die richtige Dosierung der Kraft bei Bewegungen oder das Entspannen sowie Anspannen der Muskeln, um Zerrungen zu vermeiden. Um diese Informationen aufzunehmen, haben wir spezielle Rezeptoren in Muskeln, Gelenken und Sehnen. Sie sind die Sinnesorgane, welche die sogenannte Propriozeption, auch «Tiefensensibilität» genannt, ermöglichen. Der Fachbegriff ist abgeleitet vom lateinischen für «proprius» das so viel wie «eigen, allein, persönlich» bedeutet.

Je schneller, desto besser!

Sowohl die Verarbeitung der Signale aus dem Körperinnern als auch die daraus abgeleiteten Befehle laufen unbewusst ab. Das heisst aber nicht, dass sie nicht trainiert werden können. Im Gegenteil, je mehr wir solche Reize in unser Training einbauen, desto schneller und präziser funktioniert die Datenautobahn für die Wahrnehmung von Haltung, Bewegung und Lage im Raum. Trainiert wird die Weiterleitung und Verarbeitung mit allem was instabil ist. Bei Übungen wie Ausfallschritten oder Kniebeugen eignen sich zum Beispiel der Bosu, einem Balancepad oder ein Sitzkissen. Je nach Leistungsstand können die Übungen auf den instabilen Unterlagen mit oder ohne Zusatzgewicht gemacht werden.

Propriozeptive Fähigkeiten sind aber nicht nur in den unteren Extremitäten gefragt. Auch der Rumpf oder die Schulterpartie muss mit Ausgleichsbewegungen oder schnellen Reaktionen für Gleichgewicht oder erfolgreiche Bewegungsausführungen sorgen. Hierzu eignen sich Gymnastikbälle, Schlingentrainer oder Balanceboards perfekt.

Die Mischung machts!

Wie so oft im Leben kommt es auch beim propriozeptiven Krafttraining auf die Dosis an! Das Verhältnis von Intensität und propriozeptiven Anforderungen sind in das richtige Verhältnis zu setzen. Das heisst, dass wir bei der Übungswahl die Anforderungen an das propriozeptive System dem Gewicht anpassen müssen. Grundsätzlich gilt, dass bei Übungen mit viel Gewicht wenig Instabilität gewählt wird. Und je anspruchsvoller die Übungen für unser «sensomotorisches» System, umso weniger Gewicht wird gewählt. Anfänger sollten sich auf jeden Fall langsam an das propriozeptive Krafttraining mit Zusatzgewicht herantasten. Bevor die Übungen schwerer werden, ist auf eine einwandfreie Ausführung zu achten. Auch mit wenig Gewicht kann beim Training der Tiefensensibilität einen hohen Nutzen erreicht werden. Durch die konstanten Ausgleichsbewegungen und das Reagieren auf die Instabilität werden viele Muskelfasern aktiviert, um die Bewegung korrekt auszuführen. Diese Art von Belastung hat den Vorteil, dass Gelenke, Bänder und Sehnen weniger stark belastet werden und die Verletzungsgefahr durch Überlastung eher gering ist.

Autor: Niklaus Jud

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